Saturday, August 20, 2011

Sonnenstich


Schlimmer als Durst in der Wüste ist die menschenleere Einkaufswelt rund um die "Perle" im West Bay an einem Ramadan-Freitag. "The Pearl" ist eine aufgeschüttete Insel, die der Form nach an eine Auster erinnert, und damit an die Zeit der Perlenfischerei, des wichtigsten Wirtschaftszweiges vor der Entdeckung von Öl und Gas unter dem Meeresgrund. Luxuswohnanlagen und Nobelmalls blicken auf einen nagelneuen Yachthafen, umstanden von einsamen Bänken und Palmen, die schmale Schatten werfen. Unbewegliche Stille über allem, eine Geisterstadt ohne Geist. Die Luft flimmert, von den Wänden lächeln stark geschminkte Europäerinnen und Philippinos, die einen ungemeinen Spaß am Einkaufen zu haben scheinen. Verheissungsvoll deuten sie auf Schaufenster und Boutiqueneingänge. Ich komme mir vor wie ein Archäologe in einem ägyptischen Grabmal, zu dem die Hieroglyphen zu sprechen beginnen: Eine Brünette in rosa Pünktchenkleid hat offenbar einen Gehfehler, eine Italienerin täuscht einen Orgasmus vor, während sie vier Einkaufstüten durch die Luft schwenkt, eine New Yorkerin begutachtet ein Schaufenster, in dem sich kahle Herbstbäume spiegeln. Der Weg aus den tiefgekühlten Kaufhauspassagen mit ihren einsam vor sich hin plätschernden Springbrunnen wird immer schwieriger. Die geschlossene Eisdiele, durch deren Glasfassaden man Waffeltürme und glänzende Zapfhähne sieht, wird zur Fata Morgana. Hier noch eine Treppe über türkisfarbenem Kanal, dort noch ein paar Stufen in den rettenden Schatten, die gleichen Werbegesichter überall, und ein Sonnenstich beginnt sich in meine Schläfen zu fressen.

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